Feynman-Methode

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Die Feynman-Methode oder auch Feynman-Technik ist eine Vorgehensweise, um ein Thema tiefgreifend zu durchdringen. Benannt ist die Methode nach dem Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman, der sich neben der Naturwissenschaft auch mit dem Thema Lernen und der Wissensvermittlung, insbesondere aber der Identifizierung von und dem Umgang mit Wissenslücken auseinandergesetzt hat.

Wir lesen ein Buch und denken, wir haben das Thema verstanden. Aber ist das wirklich so? Wahres Verständnis erfordert ein aktives Vorgehen und genau hier setzt die Feynman-Methode an…

Das Thema

Um die Feynman-Methode anzuwenden, sucht man sich zunächst ein Thema heraus, dass man fundiert erlernen möchte. Das Thema sollte so überschaubar sein, dass man alles Relevante dazu in weniger als zehn DIN-A4-Seiten zu Papier bringen kann. Geeignet ist jedes Thema, bei dem es nicht nur auf bloße Fakten, sondern auch auf Verständnis ankommt. Ein Thema aus der Biologie kann z.B. die Photosynthese sein, eines aus der Mathematik das Assoziativgesetz und eines aus der Informatik der Binärbaum.

Der Lernzyklus

Die Feynman-Methode ist ein iterativer Ansatz mit dem Ziel, ein wirkliches, tiefes Verständnis von einem Thema zu erlangen, so dass man es mit eigenen Worten ohne Verwendung von Fachbegriffen einer anderen Person erklären kann. Damit unterscheidet sich die Methode maßgeblich von der weit verbreiteten Lernweise in deutschen Schulen: dem einmaligen Auswendiglernen eines Themas zur Vorbereitung auf eine Klausur oder einen Test.

1. Erkläre das Thema

Erkläre das Thema dir selbst, oder einer fiktiven oder realen Person, so gut du kannst. Verwende dabei einfache Begrifflichkeiten und kurze Sätze, denn erst wenn wir etwas wirklich verstehen, sind wir in der Lage es zu vereinfachen.

Gehe davon aus, dass die Person, der du das Thema erklärst, ein kleines Kind ist und dieses mit dem Thema nicht vertraut ist. Bitte, während du erklärst, um aktives Feedback.

Kleine Kinder sind besonders gute Gesprächspartner, da sie von Natur aus neugierig sind und ihr Unverständnis klar zum Ausdruck bringen. Erwachsene hingegen neigen dazu sich daran zu gewöhnen, geschilderte Sachverhalte einfach hinzunehmen. Hat man die Gelegenheit, das Thema einem Kind zu erklären, so kann man mit Gewissheit mit der Frage rechnen, die ultimativ aufzeigt, ob man das Thema wirklich versteht: Warum?

2. Identifiziere Wissenslücken

Nachdem du das Thema vorgetragen hast, notiere dir, wo du Wissenslücken identifiziert hast. Durch das aktive Erklären sind dir an der einen oder anderen Stelle sicherlich schon während des Sprechens Lücken und Denkfehler in deiner Argumentation aufgefallen. Wenn du ins Stocken gerätst oder auf Fachbegriffe ausweichst, sind das gute Indikatoren hierfür.

Auch das Verhalten des Gesprächspartners kann dir Aufschluss darüber geben. Hört die Person aktiv zu und nickt gelegentlich? Stehen ihr sprichwörtlich Fragezeichen ins Gesicht geschrieben oder wandert der Blick ins Leere? An dieser Stelle kann man gut direkt nach Feedback fragen, oder die Person bitten, das gerade Erklärte selbst in eigenen Worten wiederzugeben.

Unter Umständen war das Vorgetragene korrekt, dem Gesprächspartner aber nicht verständlich. In dem Fall solltest du im nächsten Schritt an deiner Erklärung feilen und sie weiter vereinfachen.

3. Schließe die Wissenslücken

Setz dich nun mit geeignetem Lernmaterial zu deinem Thema auseinander und schließe die Wissenslücken. Bringe das neu erarbeitete Wissen in eine für dich geeignete Struktur, um das Thema erneut vorstellen zu können. Achte darauf, einfache Erklärungen und nur allgemein bekannte Begriffe zu benutzen. Verwende Analogien, um Sachverhalte greifbarer darzustelllen.

Versuche die Erklärung nicht zu oberflächlich zu halten und liefere passende Beispiele. Zur Erklärung gehört nicht nur, dass etwas auf eine Weise funktioniert, sondern auch, warum es auf diese Weise funktioniert.

Unser Gehirn speichert Bilder schneller und nachhaltiger als das geschriebene oder gesprochene Wort. Verwende daher Analogien, um gelernte Sachverhalte schneller und besser abzurufen, und sie im Gespräch greifbarer zu vermitteln. Lernmaterialien enthalten oft nützliche Analogien. Den besten Effekt erzielst du aber, wenn du dein Wissen soweit vertieft hast, dass du selbst in der Lage bist, eigene Analogien zu formulieren.

4. Beginne von vorne

Beginne nun wieder mit dem ersten Schritt und durchlaufe die drei Schritte solange, bis du das Thema so gut erklären kannst, dass du es deines Empfindens nach vollständig durchdrungen hast.

Je mehr wir lernen, desto besser ist unser Verständnis des Erlernten. Liest du dir das Lernmaterial das erste Mal durch, wirst du vermutlich ein grobes Verständnis der Materie erlangen. Beim zweiten Durchlesen wirst du sicherlich neue Details entdecken. Arbeitest du das Material weitere Male durch, erkennst du inhaltliche Verbindungen, die dir vorher verborgen geblieben waren. Irgendwann „macht es Klick“, du erkennst weitere feine Nuancen und bist in der Lage, das Thema frei vorzustellen und verschiedenste Fragen dazu kompetent zu beantworten.

Fazit

Die Feynman-Methode begreift Lernen als kontinuierlichen Prozess und ist eine effektive Vorgehensweise, um ein solides Wissen zu einem Thema aufzubauen. Mir gefällt die Methode sehr gut, denn oftmals ist uns gar nicht bewusst, was genau wir eigentlich nicht wissen. Der iterative Ansatz gibt mir schnelles Feedback, wo die Lücken in meiner Argumentation sind und erlaubt es mir, selbst zu entscheiden, wie weit ich ins Detail gehen und wie viel Expertenwissen ich aufbauen will. Ich denke, der Vorteil einer klaren und einfachen Sprache wird oft unterschätzt und ich finde es sehr positiv, dass die Methode einen großen Wert darauf legt.